Forschung und Recht

Machen mehr Fahrassistenzsysteme und Automatisierung den Strassenverkehr automatisch sicherer?

Von BFU Okt 9, 2019

Gemäss einer Schweizer Studie führt eine fortschreitende Automatisierung der Fahrzeuge nicht automatisch zur weniger schweren Personenschäden im Strassenverkehr. Als kritischen Faktor sehen die Autoren die Schnittstelle bzw. Interaktion zwischen Mensch und Fahrzeug. Politik und Gesetzgeber sind aufgefordert, für sichere Rahmenbedingungen zu sorgen.

Eine im Jahr 2018 vom Beratungsunternehmen EBP Schweiz AG durchgeführte Studie ist der Frage nachgegangen, wie sich das automatisierte Fahren auf das Unfallgeschehen auswirken könnte. Angesichts der Tatsache, dass über 90 % der Strassenverkehrsunfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen sind, erhofft man sich mit der fortschreitenden Automatisierung einen deutlichen Rückgang der Unfallzahlen, insbesondere bei den Schwerverletzten und Getöteten.

Die Autoren stellen das Sicherheitspotenzial des automatisierten Fahrens vereinfacht dar als Bilanz zwischen erwarteten Sicherheitsgewinnen (+) und vermuteten Sicherheitsverlusten (–).

Erwartete Sicherheitsgewinne sind Reduktionen der Unfallzahlen. Zu den Sicherheitsverlusten zählen neue Unfallursachen, die sich zum Beispiel durch die Bedienung von autonomen Fahrzeugen ergeben; sei es Hacking der Fahrzeugtechnik oder das Zusammentreffen von automatisierten Autos mit Fussgängern, Velofahrern und nicht-automatisierten Autos.

Übernahme der Fahraufgabe kann zu riskanten Manövern führen

Die Autoren der Studie kommen zum Schluss, dass mit zunehmender Automatisierung der Sicherheitsverlust durchaus grösser sein könnte als der Sicherheitsgewinn. Den Grund dafür sehen sie insbesondere in der Mensch-Maschine-Schnittstelle: Ist das System in bestimmten Situationen überfordert, sodass es den Fahrer zur Rückübernahme der Fahraufgabe auffordert, könnte dieser nicht in der Lage sein, in der geforderten Zeit wieder die Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen. Diese Übernahmeproblematik könnte zu riskanten Fahrmanövern, im schlimmsten Fall zu tödlichen Unfällen führen.

Erst ab der Automatisierungsstufe 4 (von insgesamt 5) dürfte der Sicherheitsgewinn gegenüber dem Sicherheitsverlust überwiegen. Aber selbst dann muss von gefährlichen Situationen ausgegangen werden, wenn Fussgänger, Radfahrende und Fahrzeuglenkende unterschiedlicher Automatisierungsgrade aufeinandertreffen. Auch Eingriffe von aussen auf die Fahrzeugsteuerung (Hacking) als Unfallursache dürfte eine immer grössere Rolle spielen.

Generell gesehen, dürfte sich das automatisierte Fahren aber positiv auf die Verkehrssicherheit auswirken und die Zahl der Unfälle reduzieren. Es braucht jedoch Lösungen, um neue Unfallursachen in den Griff zu bekommen. Deshalb betonen die Autoren der Studie, dass sicherheitsrelevante Fahrassistenzsysteme dringend weiterentwickelt werden müssen, bevor man die komfortbetonte Entwicklung der Automatisierung weiter vorantreibt. Auch Gesetzgeber und die Politik müssen sich in Zukunft mit der Frage befassen, wie das Miteinander verschiedener Verkehrsteilnehmer möglichst sicher und risikoarm gestaltet werden kann. Lösungen bieten unter anderem die digitale Vernetzung aller Verkehrsteilnehmer, Kommunikation und Datenaustausch in Echtzeit.

Die Frage, ob mehr Fahrassistenzsysteme und Automatisierung von Fahrzeugen den Strassenverkehr automatisch sicherer machen, muss mit einem deutlichen Nein beantwortet werden.